Nachwuchsforschergruppe Kreativität und Genie
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Die Forschungsgruppe

Klee Gespenst eines Genies

Paul Klee, Gespenst eines Genies (1922), Schottische Nationalgalerien, Edinburgh

Kreativität ist ein Imperativ, der postindustrielle Gesellschaften aggressiv strukturiert. Medien, Unterhaltung, Design, Architektur, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung sind creative industries im engeren Sinne, Kreativität ist aber auch ein Leitbegriff von Selbstbeschreibungen in sozialen Netzwerken, Kontaktanzeigen oder Bewerbungen. Kulturtheoretische Konzeptionen von „ästhetischem Regime“, „Herrschaft des Ästhetischen“, „ästhetischem Kapitalismus“ oder „Kreativitätsdispositiv“ interpretieren die Universalisierung des Kreativitätsgedankens als Resultat der Ausweitung ästhetischer Praktiken und Präferenzen auf nichtästhetische Lebensbereiche. Diese Interpretation stellt die Geisteswissenschaften vor drei Herausforderungen: Zu klären, welche ästhetischen Praktiken gemeint sind, ihre Ausweitung historisch herzuleiten und Kreativität als Gegenstand theoretisch zu erschließen.

Ausgangspunkt der Nachwuchsforschungsgruppe ist die Beobachtung, dass der Kreativitätsdiskurs im 20. Jahrhundert an rhetorische Strategien und poetische Verfahren der Genie-Ästhetik des 18. Jahrhunderts anschließt. Schöpferisches Potenzial weist in beiden Konzeptionen einen markanten Widerspruch auf: Es beschreibt einerseits einen Superlativ außergewöhnlicher, singulärer Individualität, andererseits eine allgemein verfügbare Ressource. Die Nachwuchsforschungsgruppe setzt erstmals die literaturwissenschaftliche Genie-Forschung und die interdisziplinäre Kreativitäts-Forschung in Bezug zueinander. Ihre Leitfrage lautet: Wie ist aus der Randfigur des Dichtergenies ein Leitbild geworden, das ganze Wirtschaftszweige prägt und einen verbindlichen Standard von privatem Self-Fashioning setzt? Antworten werden nicht in den wechselnden inhaltlichen Bestimmungen von Kreativität gesucht, sondern in den konstanten poetischen Strukturen, die das Sprechen über schöpferische Potenziale prägen, und in den gesellschaftlichen Funktionen dieses Sprechens.

Die Nachwuchsforschungsgruppe Kreativität und Genie wird gefördert durch das Elitenetzwerk Bayern. Sie ist angesiedelt an der Ludwig-Maximilians-Universität München und kooperiert eng mit dem Internationalen Doktorandenkolleg MIMESIS.