Kreativität und Gender im zeitgenössischen Biopic

Anna Baccanti

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich zeitgenössische Biopics über schöpferische Menschen, mit einem besonderen Schwerpunkt auf geschlechtsspezifischen Darstellungen vonKreativität. Als ein Genre, das in jüngster Zeit stark an Popularität gewonnen hat, ist der biografische Film ein kulturelles Phänomen, das einer näheren Untersuchung wert ist. Wie bei historischen Filmen im Allgemeinen verraten zeitgenössische Biopics mehr über die Gegenwart als über die Vergangenheit. In dieser Hinsicht gibt ihre Darstellung von Künstler*innen und Autor*innen einen Einblick in diezentrale Rolle, die unsere Gesellschaft der Kreativität zuschreibt, in die kulturelle Bedeutung der
Figur des „schöpferischen Genies“ heute, sowie in die Wahrnehmung von Künstlerinnen und in Diskurse über weibliche Kreativität. Obwohl viele Biopics immer noch auf einem romantischen Verständnis des Künstlers als Einzelgänger-Genie zurückgreifen, werden auch alternative Konzeptionen von Kreativität und Subjektivität erkennbar - manchmal überlagern sich beide Ansätze auch innerhalb desselben Films. Diese Spannung ist in Biopics über Frauen besonders ausgeprägt, wo sich Fragen nach Autorschaftund Kreativität mit einer frauenfeindlichen Tradition auseinandersetzen, die Frauen historisch ausdem Bereich des "Genies" ausgeschlossen hat. Ich analysiere ein breites Spektrum an Strategien, die in den filmischen Repräsentationen von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen eingesetzt werden. Diese reichen von der Aneignung des Narrativs des "großen Mannes" und seiner filmischen Konventionen über die Suche nachalternativen visuellen und narrativen Darstellungsformen.