Nachwuchsforschergruppe Kreativität und Genie
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„Dichtung der Tatsachen?“ – Der Diskurs um Literatur und ‚Wirklichkeit‘ im Feuilleton der Weimarer Republik

Antonia Stichnoth

Mein Promotionsprojekt analysiert den Diskurs über Literatur und ihr Verhältnis zur „Wirklichkeit“ während der Weimarer Republik. Zu dieser Zeit wurden die Fragen, ob und wie Literatur auf „Wirklichkeit“, „Realität“ oder „Tatsachen“ Bezug nehmen kann, ausführlich diskutiert. Diese Debatte beschränkt sich nicht nur auf den Kontext derliterarischen „Neuen Sachlichkeit“ und ist eine häufig explizit politische. Mein Projekt geht aus von der Beobachtung, dass sich das Verständnis davon, was „Wirklichkeit“ eigentlich ist, in den Jahren der Weimarer Republik als unklar erweist. Daher unterscheiden sich die Ansichten verschiedener Autorinnen und Autoren nicht nur in Hinblick auf die Frage, wie sich Literatur zur politischen und sozialen Wirklichkeit verhalten sollte. Auf einer grundlegenderen Ebene muss die Frage nach der Konzeption von „Wirklichkeit“ der Frage nach ihrer Darstellung vorausgehen. Ausgehend von dieser These analysiere ich feuilletonistische Texte über Literatur, die im Rahmen des populären Formats der Rundfrage in Zeitungen und Zeitschriften publiziert wurden. Aufgrund der Eigendynamik dieses per definitionem auf Prägnanz und Kontroversen angelegten Genres sind viele in seinem Zusammenhang veröffentlichte Texte so polemischwie pointiert. Dadurch treten die zeitgleich virulenten, vielfältigen und teils widersprüchlichen Definitionen von „Wirklichkeit“ dieser Zeit in ihnen besonders deutlich hervor. So lässt sich ausgehend vom Material der Rundfragen zeigen, welche Implikationen die Prämisse verschiedener Wirklichkeitskonzepte für das Verständnis von Literatur im gesellschaftlichen Kontext mit sich bringt. Die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden können, weisen weit über die spezifische Situation der Weimarer Republik hinaus. Exemplarisch wird die wechselseitige Bedingtheit von poetologischen, politischen und epistemologischen Fragen sichtbar.